Die Bundesregierung plant eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems mit dem Ziel, die Zahl der Arztbesuche in Deutschland deutlich zu verringern. Der Kern der neuen Strategie: Eine verbindliche Steuerung der Patienten über ein sogenanntes Primärarztsystem, bei dem der Hausarzt als erste Anlaufstelle fungieren soll.
Hausarztpflicht: Patienten sollen künftig grundsätzlich zuerst den Hausarzt aufsuchen, der dann entscheidet, ob eine Überweisung zum Facharzt nötig ist.
Ausnahmen: Direktzugang bleibt möglich für Augenärzte und Gynäkologen.
Praxisbindung: Patienten sollen sich verpflichtend für mindestens 12 Monate an eine Hausarztpraxis binden.
Koordination durch Hausarzt: Dieser übernimmt sowohl die Erstversorgung als auch die Organisation weiterer Behandlungsschritte.
Sonderregelungen: Bei Patienten mit chronischen Erkrankungen, die kontinuierliche fachärztliche Betreuung benötigen, kann die Koordination durch den Facharzt erfolgen.
Die Bundesärztekammer begrüßt die Pläne ausdrücklich.
Präsident Klaus Reinhardt betont die Notwendigkeit tiefgreifender Strukturreformen im Gesundheitswesen.
Gefordert wird ein strukturierter Zugang zu medizinischen Leistungen, klare Behandlungswege und mehr Zusammenarbeit zwischen Sektoren und Berufsgruppen.
Vorsitzender Dirk Heinrich unterstützt zwar die Entlastung der Facharztpraxen von unnötigen Besuchen, warnt aber vor "einfachen Lösungen".
Er sieht in einer generellen Hausarztpflicht ein Problem: Die Hausarztkapazitäten seien bereits jetzt überlastet.
Neben dem Direktzugang zu Augen- und Frauenärzten fordert er weitere Ausnahmen, etwa für chronisch Kranke, die regelmäßig fachärztlich behandelt werden müssen.
Laut OECD-Statistik liegt Deutschland mit 9,6 Arztbesuchen pro Person und Jahr weit über dem europäischen Durchschnitt.
Zum Vergleich:
Österreich: 6,5
Frankreich: 5,5
Finnland: 4,1
Dänemark: 3,8
Portugal: 3,5
Schweden: 2,3
Der Grund: Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern können gesetzlich Versicherte in Deutschland frei entscheiden, zu welchem Arzt sie wann gehen – und das beliebig oft.
Die geplante Reform soll diesem unkoordinierten System ein Ende setzen und zu einer effizienteren, zielgerichteten medizinischen Versorgung führen.